Spiegelmaterial BVC

  • Hallo Glaswürmer!


    Auf Anregung von Stathis - danke für den Schubs! - möchte ich hier etwas ausführlicher von meinen Erfahrungen mit einem interessanten Spiegelmaterial berichten. Die Beschaffung von Rohlingen ist ja ein immer aktuelles Thema, besonders seit man keine frischen Duran-Scheiben mehr kriegt...


    Vor einigen Jahren bin ich durch Zufall auf die schwarze Glaskeramik BVC (black vitrefied ceramics) des kanadischen Anbieters ASM Products gestossen.
    Die physikalischen Daten sind recht vielversprechend und können auf der Homepage von ASM nachgelesen werden:


    http://pages.infinit.net/asmprod/techinfo.html


    Und was für mich immer das wichtigste ist: Die Preise sind auch unter Einbezug der beträchtlichen Frachtkosten recht mässig. Meine neuste Anschaffung, ein 20 Zoll-Rohling, hat diesen Frühling 1000 USD gekostet - Fracht und vorgefräster f/5 Radius inklusive (davon Frachtkosten rund 400 Dollar!). Sehr rühmen kann ich die zuvorkommende und freundliche Bedienung durch den Verkäufer André Taillon. Die Lieferfrist von 6-8 Wochen wurde eingehalten. Den 20Zöller liess ich mir per UPS vors Haus liefern. Bei Abholung am Flughafen Frankfurt wäre die Lieferung nochmals einiges billiger gewesen, aber Frankfurt liegt für mich nicht gleich um die Ecke... Die Scheibe kam zwischen dicken, auf Mass ausgeschnittenen Styroporschichten in einer einigermassen solide verschraubten Kiste aus Holz und Spanplatten an. Die vorgefräste Fläche ist sehr sauber gearbeitet, die Rückseite schön plan.


    Meine 12.5"-Rohlinge zeigen von der Seite eine Art Dreischichtung, und im Auflicht waren in der Tiefe einige kleine flache Bläschen zu sehen, die offenbar an einer Grenzschicht lagen. Dies könnte evt.bei sehr tiefen Radien zu Problemen führen und wirft natürlich die Frage nach der Homogenität des Materials auf. Gegen eine starke Lichtquelle scheint das Licht grau-grünlich und etwas diffus durch. Die Platten werden vermutlich in mehreren Schichten gegossen, nehme ich an. Am 20 Zoll-Rohling ist hingegen keine Schichtung zu beobachten. Die kleinen Rohlinge, vor vier Jahren gekauft, waren nicht überragend schön vorbereitet. Die eine Seite hatte eine rauhe Prägung von der Gussform, und die Rückseite andere war unbearbeitet, mit z.T. gerundeter Kante. Die Rückseite musste erst plan überschliffen werden. Die Scheiben sind leicht unrund, die eine Achse 3 mm kürzer als die andere, jedoch sind die Seiten sauber geschnitten (Wasserstrahl? gesägt? gefräst?). Die Facettierung mit dem grünen Karbostein ging von Hand rasch vonstatten.


    BVC ist kein zero-expansion Material wie Zerodur, aber die Wärmedehnung ist leicht geringer als Duran / Pyrex, also auf jeden Fall wesentlich besser als Float. Wesentlich besser ist besonders der Wert bei der Wärmeleitung, was ein schnelles Auskühlen zur Folge hat. Das spürt man schon in der Werkstatt. Nach einem Polierintervall hatte der Spiegel schon nach 60 Minuten Ruhe annähernd dieselbe Form wie am folgenden Morgen. - Meine Erfahrungen bestätigen die Herstellerangaben, ohne dass ich aber genaue Messungen gemacht hätte. Bei meinem ersten Projekt mit BVC kamen die thermischen und mechanischen Eigenschaften recht kritisch zum Tragen: Ich schliff eine 12.5" Sphäre mit knapp 6 m Radius auf etwa lambda/20 als Prüfspiegel für einen gleich grossen Planspiegel (ebenfalls BVC). Die Plattendicke betrug 34 mm (50 mm beim 20Zöller), also schon ziemlich dünn, aber noch nicht kritisch. Besonders positiv fiel mir auf, dass das BVC wirklich deutlich schneller als Duran zu schleifen ist, und ebenso schnell poliert. Auch die zentrale 35 mm - Bohrung im Planspiegel ging mit der Stahl-Bohrbüchse und Karbo 120 erstaunlich schnell. Die vermutlich erhöhte Kratzerempfindlichkeit ist die Kehrseite, aber wir behandeln unsere Spiegel ja pfleglich, und ein grobes Korn hinterlässt auch auf Zerodur eine hübsche Schlittschuhspur.


    Ich war natürlich gespannt, ob das Material die Form hält. Da sich das Schleifprojekt infolge Wohnungsumzugs über 3 Jahre hinzog, war die Zeitspanne wohl lang genug, um diesen Punkt beurteilen zu können: keinerlei Veränderung der Kurve.


    Ich habe zu Prüfzwecken die 12.5" Sphäre selbst versilbert; eine Aluschicht kam aus Kostengründen nicht in Frage, denn ich hatte vor, nach Vollendung des Planspiegels die Prüfsphäre zu einem 1:5 Paraboloid umzuschleifen. Damit habe ich vor wenigen Tagen begonnen. Ihr dürft mich ungestraft einen Barbaren schimpfen, der imstande ist, auf eine lambda/20 Sphäre mit Karbo 46 loszugehen... aber zu meiner Verteidigung: der Spiegel hatte infolge der langen Bearbeitungszeit unter wechselnden Raumverhältnissen einige mehr als nur kosmetisch störende Kratzer eingefangen. Der Planspiegel hat hingegen eine bildschöne Alu/Quarzschicht gekriegt und dient mir seit kurzem zur Prüfung in Autokollimation. Sicher ist er nicht ganz so genau wie Wolfgangs Referenz-Planum, aber dafür auch einiges kostengünstiger - und erst noch selbst gemacht! Jedenfalls hat mir Alois persönlich die Absolution erteilt...


    Mein Fazit: BVC ist eine echte Alternative zu den bekannteren Gläsern. Ich kann es aus meiner Erfahrung durchaus empfehlen und arbeite gern damit. Weitere Instrumente mit BVC sind in Planung, so z.B. ein 25 cm Yolo (Markus Früh, St.Gallen CH).


    Nun bin ich gespannt auf eure Meinungen und ggf. eigene Erfahrungen mit BVC.
    Ihr seht ein paar Bilder zum Werdegang des Planspiegels auf meiner HP:


    http://avf.astronomie.ch/steiner/planspiegel.htm


    und den grossen 20 Zoll-Brocken hier:


    http://avf.astronomie.ch/steiner/52cm_dobson.html


    Karbohaltige Grüsse aus der Schweiz von
    Daniel.

  • Hallo Glaswurm,


    nachdem Du mich schon ansprichst, einige Randbemerkungen zu diesem
    Material bei der Prüfung. Mit Foucault und Ronchi mit und ohne
    Kompensation wird dieser Spiegel sicherlich zu prüfen sein. Wenn man
    aber diesem - anscheinend aus Einzelscheiben verbackenen Material -
    mit einem Interferometer zu Leibe rücken möchte, besonders wenn die
    Spiegelfläche noch nicht belegt ist, dann bekommt man über die
    Reflexe der "verbackenen" Einzelscheiben so viel Störung, daß ein
    Interferogramm nahezu unmöglich wird, obwohl ein grüner Laser mit
    5 MWatt schon recht hell ist. Soweit unser Versuch, dieses BVC-Material
    unbelegt prüfen zu wollen.


    Einen so genauen Kugel-Spiegel umzuschleifen, halte ich für einen
    Frevel wider alle Meßtechnik: Nicht nur Planspiegel kann man damit
    prüfen, sondern Okulare, Barlow-Linsen jedwede Parabeln und Hyperbeln
    in Kompensation, also ein breites Anwendungs-Feld:


    Einen Parabol-Spiegel in dieser Güte kriegt man relativ leicht,
    einen Kugelspiegel hingegen nicht. Wobei L/20 surface über die ganze
    Fläche mit dem I_Meter gemessen bereits die Grenze ist, die wir für
    unsere Genauigkeit brauchen unter der Annahme, daß die Regelmäßigkeit
    noch erheblich besser ist.


    Wolfgang Rohr

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: danist</i>
    <br />Hallo Glaswürmer!


    Vor einigen Jahren bin ich durch Zufall auf die schwarze Glaskeramik BVC (black vitrefied ceramics) des kanadischen Anbieters ASM Products gestossen.


    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Hallo Daniel,
    Ich habe vor ein paar Jahren schon einen 36 cm BVC Spiegel gemacht, der liegt immer noch unverspiegelt unterm Bett. Das Material ließ sich problemlos bearbeiten. Über das Ergebnis kann ich nichts genau sagen.
    BVC ist aus mehreren Platten Kristallglas zusammengesintert. Die oberste Platte ist dicker, damit sie nicht durchgeschliffen wird.
    Wenn man einen besonders kurzen Spiegel machen will, dann muß man das bei der Bestellung angeben, so wie ich Andree kenne wird er eine Lösung finden die es erlaubt die Fläche zu schleifen, ohne die Grenzschicht durchzuschleifen.Es hat darüber schon mehrere Diskusionen in diversen Mailinglisten gegeben.
    Trotz allem finde ich ein normales Borosilikatglas besser. Es hat homogene Eigenschaften, die Verspannung lässt sich prüfen und so viel teurer ist es auch nicht. Inzwischen gibt es auch genügend Lieferanten. Borofloat gibt es in jeder Größe bis zu 25mm Dicke.
    Pyrex gibts von Newport, in England gibt es eine Firma die Borosilikat bis zu 19,5 Zoll und 4 oder 5 cm Stärke abgibt. Zudem bemüht sich der Adam Zmijewski aus Polen preiswerte Rohlinge herzustellen, allerdings ist die Qualität noch zweifelhaft.
    Wir werden sehen was sich da in den nächsten Monaten ergibt.
    Grüße Martin

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