Reinfelder & Hertel / G.Heyde, Dresden

  • Hallo!


    Ich habe mal zwei Fragen zu historischen Teleskopherstellern:


    Hat jemand Informationen, Links, Material, Publikationen zum Teleskopbauer Reinfelder & Hertel? Das war eine Firma mit Sitz in München (Nähe von München/Pasing?), die in der Zeit um 1880 plus x geodätische Instrumente und Teleskope herstellte.


    Weit einfacher ist meine zweite Nachfrage, nämlich zum Teleskopfabrikanten Gustav Heyde aus Dresden. Ganz konkret geht es um (s)einen 7" Fraunhofer von G.Heyde und noch spezieller das Exemplar, dass in Moskau in der ehem. kaiserlichen Sternwarte dort, die "Nazarovskaya" genannt wird und auf die Initiative des russischen Astronomen Witold Tseraskii zurückgeht.


    Wie es der Zufall will hatte ich vor kurzem einen alten Katalog-Link nach Moskau gesendet (diesen hier: http://www.binoculars-cinecoll…a_1896-September_2014.pdf) und auf Seite 5 (rechts oben) befindet sich tatsächlich genau diese Sternwarte (aber eben von über 100 Jahren) abgebildet. Sie wird momentan von einer Gruppe engagierter russischer Astronomen restauriert, die sich freuten "ihr" Projekt darin abgebildet zu sehen. Das Original des Fotos befindet sich in ihrem Besitz, bzw. in Moskau, aber bis dahin war es nicht klar, dass es auch in einem Katalog von Heyde abgebildet wurde.


    Ich stelle hier mal zwei Bilder (aktuelles und historisches) ein, die zeigen wie sich das Gebäude kaum verändert hat, sowie ein Bild vom Innenraum der Sternwarte.


    Historisch - so auch auf Seite 5 des o.g. Katalogs:


    Aktuell - Dezember 2015 (hinten links - mittlerweile fast im Zentrum Moskaus gelegen):


    Der teilrestaurierte Refraktor in der Sternwarte:


    Es gibt auch noch Briefe von Heyde, die die Verhandlungen über den Bau des großen 7" Fraunhofer Refraktors widerspiegeln. Dazu habe ich aber keine Veröffentlichungserlaubnis, da Brief und Umschlag im Besitz der Universität in Moskau sind und bisher nicht publiziert wurden.


    Auch ansonsten hat diese Gruppe natürlich schon viel Material und Informationen über ihr Projekt gesammelt. Aber, wie der obige Kataloglink beweist, gibt es vielleicht ja noch den ein oder anderen Zufallsfund oder ein interessante unbekannte Quelle.


    Besten Dank für Rückmeldungen, Andreas

  • Hallo Andreas,
    sehr interessantes Thema! War R&H nicht eine Nachfolgefirma von Fraunhofer selbst? Aber das wissen andere bestimmt besser.
    Zu G. Heyde weiss ich, dass das Lohrmann-Institut in Dresden einen 30cm-Heyde Refraktor besitzt und auch noch in Betrieb hat. Das russische Instrument kannte ich noch nicht.
    Viele Gruesse
    Andreas

  • Hallo an Beide,
    vielen Dank für die Informationen.
    Für mich als Dresdner ist es besonders interessant, dass es mit der Fa. Heyde einen ernsthaften Hersteller von astronomischen Geräten gegeben hat. Und dass der TU-Refraktor von der Firma ist, wusste ich auch noch nicht.
    Da werde ich mich mal durchs Internet wühlen.


    Gruß Hans-Jürgen

  • Hallo Andreas,
    ich habe auch schon etwas zur Firma Reinfelder & Hertel geforscht. Weiter unten findest Du einen Nachruf auf Gottlieb Reinfelder von Rudolf Steinheil. Wenn dich die Verbindung zwischen den Firmen Reinfelder & Hertel und G. & S. Merz interessieren findest Du hier http://ediss.sub.uni-hamburg.d…door.php?source_opus=7310 ab Seite 200 noch etwas. Zu G. Heyde müsste ich genauer wissen was Du suchst.


    Gruß in die Runde,
    Jürgen



    Aus: Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft. Herausgegeben von den Schriftführern der Gesellschaft: R. Lehmann-Filhes und Müller in Berlin in Potsdam. 33. Jahrgang. (1898) Leipzig.


    "Nachruf:
    Gottlieb Reinfelder war am 18. December 1836 zu Pegnitz bei Nürnberg geboren. Seinen Vater, der praktischer Arzt in Pegnitz war, verlor er schon, als er erst im 9. Lebensjahr stand. Als die Mutter nach des Vaters Tode nach Nürnberg übersiedelte, besuchte er dort die Lateinschule, die Kreisgewerbeschule und das Polytechnicum, welches er im Jahre 1857 absolvirte. Gleich nach diesem Absolutorium sollte er in diejenige Berufsbahn geworfen werden, welcher er sein ganzes späteres Leben hin- durch angehörte. C. A. v. Steinheil, welcher beim Absolutorium des Nürnberger Polytechnicums als Prüfungscommissar functionirte, wandte sich an den Rector dieser Anstalt, damit ihm dieser von den Absolventen solche bezeichne, welche sich zur Ausbildung als Techniker in seiner optisch-astronomischen Werkstätte eignen würden. Der Rector nannte Gottlieb Reinfelder und Wilhelm Hertel, die denn auch beide in die Steinheil'sche Werkstätte eintraten, welche sich damals in Schwabing bei München befand. Sieben Jahre war Reinfelder in dieser Werkstätte thätig, und diese Thätigkeit war wohl für sein ganzes Leben ausschlaggebend, weil er für immer der praktischen Optik und in dieser den Steinheil'schen Methoden treu blieb, im fahre [864 trat Reinfelder aus der Steinheil'schen Werkstätte aus und gründete zunächst in Verbindung mit dem Privatdocenten an der Universität München Dr. Ph, Karl, dem späteren langjährigen Professor der Physik an den Militärbildungsanstalten, eine Werkstätte unter der Bezeichnung: „Physikalisches Institut von Karl und Reinfelder in München". Doch scheinen sich die beiden Gesellschafter nicht in Allem verstanden zu haben, da sie sich schon nach wenigen Monaten wieder trennten, indem Dr. Karl das „Phy sikalische Institut" unter seinem Namen allein weiterführte, während Reinfelder die „ Optische Anstalt von G. Reinfelder u gründete. In diese Anstalt nahm er im Jahre 1867 seinen Studiengenossen Hertel als Theilhaber auf, welcher sich nach seinem Austritt aus der Steinheil'schen Werkstätte bei Repsold und bei H. Schroeder in Hamburg noch weiter ausgebildet hatte. Die Wahl dieses Compagnons war eine sehr glückliche; denn bis zu dem im Jahre 1893 erfolgten Tode Hertel's haben beide Theilhaber die Anstalt in schöner Harmonie geführt und sie zu Blüthe und Ansehen gebracht. Reinfelder hatte sich bei Gründung seiner optischen Anstalt die Aufgabe gestellt, die optischen Theile für Messinstrumente herzustellen, wie sie die Mechaniker bedürfen, welche sich mit dem Bau solcher hauptsächlich zu geodätischen Zwecken dienenden Instrumente befassen. Die Lieferung der Optik für diese Instrumente war hauptsächlich in den Händen französischer Optiker, da die Objective aus der Merz'schen und Steinheil'schen Werkstätte den meisten Mechanikern zu theuer kamen, die französischen dagegen Dank der dort damals schon weit verbreiteten Hausindustrie so billig waren, dass dieser Vortheil die meisten über ihre sonstige Beschaffenheit hinwegtäuschte. Diesen französischen Optikern das Feld streitig zu machen durch Lieferung von billigen, aber guten Objectiven hatte sich Reinfelder vorgesetzt, und es ist ihm dies in vollem Maasse gelungen ; denn gar bald wendeten sich mechanische Werkstätten des In- und Auslandes seinen Objectiven zu, sodass bei seinem Tode die Firma nahezu 30000 solcher Objective geliefert hatte. Neben diesen Objectiven stellte die Anstalt auch Oculare und Lupen, Zugfernrohre, Marinefernrohre, Ablesefernrohre, Spectroskope, Prismen, Planparallel-Gläser und -Spiegel, sowie kleinere astronomische Instrumente her. Eine kurze Zeit hindurch befasste sie sich auch mit der Herstellung von Mikroskopen. Aber nicht allein die kleinen oben erwähnten Objective für Messinstrumente wurden von Reinfelder hergestellt, sondern auch grössere astronomische Objective, so als erstes ein Objectiv von 6 Zoll im Jahre 1873 für Winnecke in Strassburg, wie er auch für eine Reihe von Sternwarten Deutschlands und Russlands Kometensucher lieferte, welche sich durch möglichst lichtstarke Objective auszeichneten. Im Jahre 1897 hat Reinfelder ein Objectiv von 352 mm Durchmesser, das grösste, was er je gemacht, an die Königsberger Sternwarte geliefert. Nach Hertel's Tode im Jahre 1893 führte Reinfelder die Werkstätte allein fort bis zum Beginn des Jahres 1897, wo er seinen Sohn Karl Reinfelder und Herrn Paul Zschokke als Geschäftstheilhaber aufnahm. Von diesen war ersterer seit dem Jahre 1886 in der Anstalt seines Vaters thätig, letzterer war bis dahin Procurist in der Steinheil'schen Werkstätte gewesen. Neben seinem Beruf fand Reinfelder stets noch Zeit, sich dem allgemeinen Wohl zu widmen. So war er 19 Jahre lang Mitglied des Collegiums der Gemeindebevollmächtigten in München und hatte dort das schwierige Referat für Schulangelegenheiten in Händen. 6 Jahre war er Mitglied des Armenpflegschafts-Rathes. Der Astronomischen Gesellschaft gehörte er seit dem Jahre 1891 als Mitglied an. Wie Reinfelder im Umgang mit Freunden sich stets als liebenswürdige Natur zeigte, so hat er auch in seiner Familie sich immer als treubesorgter Gatte und Vater bewiesen und hat mit seiner treuen Christiane, geborenen Hechtel, Leid und Freude getragen, Leid, als ihnen zweimal ein Sohn in jugendlichem Alter entrissen wurde, Freude an und mit den übrigen Kindern und besonders dem einen Sohn, der, zuerst sein Schüler, ihm bald ein Mitarbeiter und eine Stütze im Beruf wurde. Wer das wirklich ideale Zusammenleben in der Familie des Verblichenen kannte, vermochte so recht den tiefen Schmerz der Wittwe, der 3 Töchter und des Sohnes zu ermessen, als Reinfelder, den seit 7 Wochen ein schwerer Fall von Diabetes ans Lager fesselte, am 30. Mai 1898 sanft entschlummerte.


    R. Steinheil"

  • Hallo!
    Vielen Dank für die Rückmeldungen. Ich hatte schon befürchtet, dass das komplett im Sand verläuft. Schön ;) ...
    Aber der Reihe nach:


    <b>Avier50 (Andreas)</b>: Danke für die Info was das Instrument in Dresden angeht. Das bestätigt jetzt das vage "Hörensagen", das ich vorher nur hatte ...


    <b>Kerringa (Hans-Jürgen)</b>: Umso besser, wenn es noch für jemanden anderen zur Anregung wurde. Forum im besten Sinne!


    <b>Jürgen</b>: Gans tolle Beiträge, die mir völlig unbekannt waren. Der Nachruf auf Reinfelder ist sehr wertvoll, weil sehr detailliert - noch dazu von Steinheil! Ein Kleinod ...
    Die Dissertation (bzw. der Link dazu) ist wunderbar. So viele, detaillierte unheimlich aufwendig recherchierte Inhalte. Ein wahre Freude ... selbst wenn es nicht nur um Reinfelder & Hertel geht.
    Zu deiner Nachfrage was G. Heyde angeht: Da wäre alles interessant was dessen Beziehungen, Kontakte nach Russland/Moskau, zu dem o.g. russischen Astronomen Witold Tseraskii, der dortigen ehemaligen kaiserlichen Sternwarte (keine Ahnung ob G.Heyde auch in den Bau involviert war oder "nur" das Instrument dazu lieferte) und zu dem dort noch existierenden 7" Fraunhofer (gefertigt von Heyde) bekannt ist. Interessant wäre es auch etwas über baugleichen Modelle des 7" Refraktors andernorts oder zu dem Instrument selbst in Erfahrung zu bringen.


    <b>Schlauchboot (Kai)</b>: Danke für das Bild. Es sieht ganz aus, als würden sie gerade in Moskau versuchen genau so ein Instrument restaurieren. Darf ich das Bild gen Russland senden?


    Vielen Dank für die schönen Rückmeldungen bisher,
    Andreas

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