Ist das TS 70 mm Fernglas als Ersatz für das vergriffene, auch auf dem Gebrauchtmarkt kaum erhältliche, und viel gepriesene Myiauchi 20 x 77 geeignet ?
Anfang August hab ich einen Freund in Ligurien besucht, der auf einem Grundstück direkt über Ventimiglia mit traumhafter Aussicht über das Meer und nach Monaco wohnt. Mit meinem Miyauchi BS-77i, 20 x 77, haben wir Schiffe, Feuerwerk über Monaco und Landschaft, auch ein bißchen Astro, beobachtet. Der Freund war so begeistert von meinem Fernglas, dass er auch so eines wollte. Nun, Miyauchi gibts ja nimmer, also hab ich nach was ähnlichem gesucht, und bin auf das
TS APO Großfernglas - 70mm Öffnung - 16x/20x/25x
gestoßen, hab es zum Testen bestellt. Wie bei TS üblich, kam das Gerät bereits vor (!) der Bestellung bei mir an, - nein - , stimmt net ganz, aber mittags bestellt, am nächsten Vormittag da, auch nicht schlecht...
Also hier ein kurzer subjektiver Vergleich (Bericht an meinen Freund in Italien, daher ein paar Erläuterungen für den Astro-Laien) zwischen Miyauchi 20 x 77 (links: M., früherer Neupreis 958.- Euro plus 248.- für Wechselokulare) und TS 16/20/25 x 70 (rechts: TS, Preis 598.- Euro incl 3 Okularpaare) :
Das TS kommt sehr gut verpackt in einem schönen praktischen Alukoffer, ich hab das Triton FVT Stativ und zwei einfache Plössl 12.5 mm Okulare dazu bestellt.
Schlechte Nachricht (für mich), das TS ist eindeutig noch besser als das Miyauchi ...
also im Einzelnen
das Bild im TS ist noch klarer, schärfer und etwas brillianter als im M., der Farbfehler ist im TS deutlich geringer als im M. (Farbfehler gibts bei allen Linsenteleskopen, das ist der Effekt, dass am Bildrand oben waagrechte Linien einen lila Saum haben und unten einen grünen Saum)
die Randschärfe ist genauso gut
die Gesichtsfelder sind mal im TS und mal im M. etwas grösser (ich hab auch die 30x-Okulare für das M.), hab bei 20x und 30x verglichen
alle Okulare und Vergrösserungen (16x, 20x, 25x, 30x) gehen gut, mit
den 12.5 mm Plössl-Zusatz-Okular bekommt man ca 30-fache Vergrösserung, weil das FG nicht 400 mm, sondern nur 375 mm Brennweite hat. Das ist ok.
Ich habe auch mal mit 9 mm Okularen von mir getestet, das ergäbe 41 fache Vergr., das ist zu viel für das Glas, da wird das Bild schlecht.
Die Kollimation ist gut, das ist die Übereinstimmmung von linkem und rechtem
Bild, es wäre auch eine Anleitung dabei, wie man das Glas kollimieren kann,
ist aber zur Zeit nicht nötig, vielleicht später mal, wenns runtergefallen
ist, hihi....
Die Verzeichnung ist in beiden Gläsern etwa gleich stark oder schwach ausgeprägt, gar nicht störend (Verzeichnung ist, dass gerade Linien an den Bildrändern oben und unten sowie links und rechts nach innen gebogen werden)
Auch der Mond ist ein Genuß. Man schaut aber nie bei Vollmond,
weil dann keine Schatten zu sehen sind, Mondbeobachtung immer bei Sichel- oder Halbmond, am Terminator, das ist die hell/dunkel-Grenze, da sind durch Schattenwurf die Krater und Einzelheiten am Besten zu sehen.
Natürlich hat das TS eine etwas geringere Öffnung (70 gegen 77 mm), das ist tagsüber kein Problem, und dafür will es mein Freund in Ligurien. Aber auch am Mond und bei M11 und M31 ist mir gestern auf die schnelle kein auffallender Helligkeitsunterschied aufgefallen, allerdings schon deutlich, dass das TS präziser zu fokussieren ist, die Sterne noch punktförmiger dargestellt werden, als im M.
Ein Fehler beim TS: die Lackierung ist etwas billig, geht etwas leicht ab, 1 winzige Absplitterung bereits oben links durch Anstossen bei Montage des Griffes, Abschürfung vorne an den Objektivabdeckungen und innen an der ersten Blende der linken Okularaufnahme. Ist aber nicht so schlimm, wir Astronomen sagen: ein Fernglas ist zum Durchschauen und nicht zum Anschauen.
Das Stativ ist gut, sehr stabil, nicht ganz so gut wie meines, weil geht etwas schwergängiger in der Verstellung. Die Mittensäule würde ich, wenn ausgezogen, durch Drehen am kleinen Rad und nicht durch Drehen an der Säule fixieren, ist dann stabiler
Gebrauchshinweise (bitte merken und aufheben):
Die unterschiedlichen Vergrösserungen werden durch unterschiedliche Okulare erzeugt. Okulare in die Okularaufnahme reinstecken. Dort sind zwei drehbare Ringe: der silberne Ring zentriert und fixiert durch Rechtsdrehung (Uhrzeigersinn) das Okular, der breite schwarze Ring fokusiert (stellt scharf) durch Drehen das Bild, jeweils getrennt für linkes und rechtes Auge einstellen.
Der Augenabstand wird durch Drehen an den Prismenkästen (das sind die ovalen Dinger, in denen die Okulare drinstecken) verändert.
Die Gegenlichtblende an den Objektiven kann rausgeschoben werden,
hilft auch etwas gegen Beschlagen der Objektive in der Nacht.
Für die Montage des Fernglases auf dem Stativ musst du die
Schnellwechselplatte unten an das FG ranschrauben und dann diese Platte von oben auf das Stativ aufsetzen, wichtig: vorher den kleinen Fixierhebel nach hinten ziehen und nach Aufsetzen wieder reinschieben, so dass das Glas sicher und fest sitzt !
Vielleicht erst mal nur mit der Platte (ohne FG) probieren, so dass
Du die Funktionsweise erkennst.
Der lange Einstell-und Fixierarm für rauf und runter am Stativkopf stösst am Stativkopf an, wenn man zu sehr nach oben schwenken will (z.B. bei nächtlicher Astrobeobachtung). Dann würde ich die Schnellwechselplatte um 180 Grad versetzt an das FG
schrauben (vorne/hinten vertauscht), so dass dann der Einstell-und Fixierarm nach vorne absteht und nicht anstoßen kann bei Schwenk nach oben.
Fazit: nach meiner Meinung ist das TS ein sehr gutes Fernglas und ein würdiger Myiauchi-Ersatz.