Der Vorversuch zu diesem Thema wurde bereits vor einem Monat hier diskutiert.
http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=9777
Es geht um die Frage, wie stark wirkt sich das bodennahe seeing auf die Definitionshelligkeit (= Strehl) aus. Die meisten Amateurteleskope können kaum anders als in Höhen zwischen fast null bis ca. 2 m über Grund aufgestellt werden. In diesem Bereich hat die Umgebungsluft insbesondere bei windarmen Wetterlagen ein extrem starkes Temperaturgefälle. Temperaturunterschiede von 5°C zwischen Boden und ca. 2 m Höhe über Grund sind durchaus häufig. Wird in diese Schicht nur ein wenig herumgerührt oder geht hin und wieder ein schwaches Lüftchen, so sind optisch hochwirksame Luftschlieren nicht zu vermeiden.
Das ist im Prinzip alles bekannt. Es ist auch bekannt, dass o. a. Störungen starken Schwankungen unterliegen. Das nachfolgend beschriebene ist ein Versuch zur Quantifizierung oder einfach gefragt, wie schlimm ist es denn mit dem Bodenseeing? Kann man mit bekannten Messgrößen arbeiten? Meine Idee ist nun, die Schwankungen des Strehlwertes einer Prüfstecke in Bodennähe erfassen.
Das erste Foto zeigt die Prüfvorrichtung.
Sie besteht aus einem 8“ f/5 Parabolspiegel in dessen Krümmungsmittelpunkt mein bereits früher beschriebenes Bath- Interferometer aufgestellt ist. Die Teststrecke ist also 2 m lang. Sie liegt annähernd horizontal ca. 1 m über dem Rasen. Logischerweise wird dabei nur die Luftunruhe zwische Interferometer und Parabolspiegel erfasst.
Die Interferogramme kann ich neuerdings mit einer NIKON D 70 fotografieren.
Für die Versuche wurde die Kamera mit einem 35 mm AF NIKKOR f/2 bestückt. Fokussiert wird auf den Abstand zum Spiegel. Man kann zwar auch ohne Objektiv das Interferogramm direkt auf den Chip oder einen weißen Schirm projizieren. Bei dieser Art der Abbildung ist aber der Spiegeldurchmesser nicht so scharf definiert. Es bilden sich dann konzentrische Interfenzringe, denen das eigentliche I- Gramm überlagert ist. Hier ein Bildbeispiel.
Zur Auswertung der Interferogramme hab ich mich mit „FringeXP“ angefreundet. Das schafft man im Laufe eines Tages. Vor dem eigentlichen Freiluft- Versuch wollte ich natürlich erst einmal feststellen, wie reproduzierbar kann man überhaupt mit der Prüfstrecke unter günstigsten Bedingungen Strehlwerte messen. Dazu wurde die gesamte Konfiguration im Prüfraum aufgebaut. Zur Temperaturanpassung hab ich mir länger als einen Tag Zeit gelassen. Die Heizung des Prüfraumes wurde abgestellt. Bei Beginn der Messserie zur Reproduzierbarkeit betrug die Temperatur am Spiegel sowie am Interferometer 16,1°C. Ca. 5 Stunden nach Ende der Messung war die Temperatur nur um 0,1°C abgesunken. Die hinreichende Temperaturkonstanz während der Messzeit von nur 15 Minuten scheint damit gesichert zu sein. Während dieser Zeitspanne wurden im Abstand von 1 Minute die I-Gramme fotografiert, also insgesamt 15. Zwischenzeitlich blieb die Einstellung des I-Meters unverändert.
Hier die 15 Strehlwerte:
0,947 0,966 0,962, 0,948 0,946 0,961 0,927 0,939 0,961 0,951 0,948 0,940 0,927 0,921 0,930
Mittelwert: 0,945
Range (Differenz zw. höchstem und niedrigstem Messwert) : 0,045
Das entspricht einer Streuung von 4,8% bezogen auf den Mittelwert.
Die o. a. Durchführung ist etwas anderes als ein und dasselbe I- Gramm 15x auszuwerten, weil jedes der I-Gramme evtl. mögliche Störungen durch sehr schwach ausgeprägte Luftschlieren und/oder mechanische Veränderungen der Einstellungen erfasst. Die I- Gramme sind damit prinzipiell nicht gleich, wohl aber sehr ähnlich, z. B. so:
Das nächst folgendende Bild zeigt, was für schöne Oberflächenbilder „FringeXP“ daraus macht.
Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass sich der Spiegel innerhalb weniger Minuten o. a. strenger Temperaturkontrolle ( Temperaturgradient der Luft < 0,1°C /h) tatsächlich messbar verändert hat.
Im allgemeinen wird man bei Wiederholmessungen an ein und demselben Objekt je Messung deutlich unterschiedliche I- Gramme auswerten müssen. Auch dazu hab ich eine Versuchsserie mit 11 Wiederholungen durchgeführt. Die Temperaturkonstanz wurde bei dieser Serie allerdings nicht so scharf kontrolliert wie vorhin beschrieben.
Hier 2 Stichproben aus der Serie:
Hier die Einzelwerte:
0,935 0,918 0,909 0,945 0,950 0,913 0,933 0,945 0,898 0,933 0,943
Mittelwert: 0,929
Range: 0,052, entsprechend 5,6% bezogen auf den Mittelwert.
Nun zum eigentlichen Versuch:
Die Anlage wurde gestern gegen 18 Uhr im Garten aufgebaut. Die erste Messserie mit 15 Einzelmessungen im Abstand von jeweils 1 Minute begann noch vor Sonnenuntergang um 20Uhr35. Während der Messung sank die Lufttemperatur in der Nähe des Spiegels von 10,0°C auf 8,8°C, am Interferometer von 11°C auf 9,9°C ab. Um 23 Uhr10 begann die zweite Messserie ebenfalls mit 15 Einzelmessungen im Abstand von 1 Minute. Während dieser Phase sanken die Temperaturen an beiden Messpunkten von 2,2°C auf 2,0°C ab. Die Strehlmesswerte sind in dem nachfolgenden Diagramm dargestellt.
Bis zum Ende der Messungen war der Himmel wolkenlos mit durchschnittlicher Transparenz, keine fühlbare Luftbewegung an der Messstrecke.
schwarz: Messung im Prüfraum unter strenger Temperaturkontrolle
rot: Außenmessung, Start um 20 Uhr 35
grün: Außenmessung, Start um 23 Uhr 10
Schlussfolgerung:
Die Außenmessungen zeigen ganz klar, dass der größte Teil der Beobachtungszeit extrem durch bodennahes seeing gestört ist. Es bleibt noch zu klären, ob durch Höherlegung der Messtrecke auf ca. 2- 3 m eine signifikante Änderung feststellar ist. Dazu schein die beschriebene Messtechnik hinreichend geeignet zu sein.
Gruß Kurt
PS.: Wer mit den I-Grammen spielen möchte, hier die genauen Spiegeldaten:
D = 204 mm, R= 2010 mm, ziemlich streng parabolisch. Die Wellenlänge des Lasers beträgt wahrscheinlich 670 nm.