Stephenson 1 (Delta Lyr Cl) - Cluster oder nicht?

  • (Hoffe, der Thread ist hier an der richtigen Stelle... ansonsten bitte verschieben.)




    Hallo werte Astrogemeinde,


    seit geraumer Zeit befasse ich mich mit dem Sternhaufen "Stephenson 1“, ggf. auch besser als „Delta Lyrae-Haufen“ bekannt. Habe vor dem Kauf meines Teleskops im letzten Winter den Himmel ausschließlich mit dem (Groß-)Fernglas observiert und Stephenson 1 gehörte schon länger zu meinen Lieblingsobjekten, nicht zuletzt wegen des hübschen farbigen Doppels Delta1 und Delta2 Lyrae.


    In der Literatur findet man – wie so oft^^ – unterschiedliche Aussagen darüber, ob Steph 1 nun ein physikalisches Objekt ist oder nicht.
    Burnham z.B. führt eine Untersuchung von Eggen (1964) an, welcher 100 Sterne im Feld um Delta Lyr untersuchte und ein FHD vorfand, das dem eines jungen Sternhaufens entspricht (Celestial Handbook, Band II, S. 1150).
    Bronkalla (1963) hingegen kann in einem FHD bis zur Helligkeit V=13.3m keinen Sternhaufen erkennen.(http://articles.adsabs.harvard.edu/full/1963AN....287..249B)
    Götz (1989) wiederum führt Stephenson 1 kommentarlos als existierenden Sternhaufen (C1851+368) auf und auch in vielen Sternatlanten (z.B. Sky & Telescope’s Pocket Sky Atlas) und auf vielen Websites ist er als solcher gekennzeichnet.


    Ja, was denn nun? [:)] An sich ist es ja wurscht und – ganz platt formuliert – sieht das "Ding" hübsch aus, ob es nun ein Sternhaufen ist oder nicht, aber so etwas wurmt mich halt und ich liebe es, sinnlose (würde meine Frau jetzt sagen^^) Details zu meinen Lieblingsobjekten zu sammeln. Von daher: Weiß einer von Euch mehr? Hat einer von Euch Zugang zu neueren Büchern / aktuelleren bzw. aufschlussreicheren Daten oder weiß, wo man so etwas findet?


    Für jegliche Hilfe wäre ich sehr dankbar! Ich hatte z.B. schon mal an das Buch „Star Clusters“ von Brent A.Archinal and Steven J. Hynes gedacht. O’Meara bezieht sich zumindest in seinen „Hidden Treasures“ ständig auf dieses Buch, wenn es um Sternhaufen geht… Hat das einer von Euch und taugt das was? Um es „nur mal so“ zu bestellen, ist es leider zu teuer…


    Naja, dann wäre auch noch die Frage, ob Delta1 und Delta2 Lyr ein physisches Paar sind… was sie vermutlich ja nicht sind, aber auch da liest man unterschiedliches. Aber das hebe ich mir mal für einen anderen Abend auf… [8)]



    Viele Grüße und clear skies,


    Stefan Huemmi



    EDIT: Wort vergessen

  • Hallo Stefan,


    ich hatte vor kurzem da mal genauer nachgehakt. Bei der Recherche kam ich zu dem Ergebnis, dass er tatsächlich ein richtiger Haufen ist, der nach aktuellsten Angaben 1.200 Lichtjahre entfernt ist. Das optische Paar delta Lyrae ist hingegen 900 (delta2 Lyr) und 1.100 Lichtjahre (delta1 Lyr) entfernt.


    Übrigens ist Bruce Stephenson nicht der Entdecker, der Fund geht auf das Konto des 27-jährigen Gordon Grant, der kurze Zeit später den Freitod wählte.

  • Hallo Nico,


    vielen Dank für die schnelle Antwort. :) Es würde mich natürlich brennend interessieren, wie Du zu dem Ergebnis kamst, dass Steph 1 ein richtiger Sternhaufen ist. Gibt es irgendwo einen Link zu Deinem Artikel oder kann man ihn ggf. mal einsehen?



    "Das optische Paar delta Lyrae ist hingegen 900 (delta2 Lyr) und 1.100 Lichtjahre (delta1 Lyr) entfernt."


    Das ist natürlich ein gutes Argument, sofern die Messdaten entsprechend genau sind. Eine mögliche Varianz von +/- 100 LJ würde nämlich wiederum die Möglichkeit eröffnen, dass es sich - jetzt mal ungeachtet des beachtlich weiten Abstandes - doch um ein physisches Paar handelt. Kann man diese Varianz ausschließen? Ich bin nicht im Bilde darüber, wie genau diese Messdaten heutzutage sind. Wenn dem so ist, dann ist es wohl bewiesen. :)



    "Übrigens ist Bruce Stephenson nicht der Entdecker, der Fund geht auf das Konto des 27-jährigen Gordon Grant, der kurze Zeit später den Freitod wählte."


    Oha, gut zu wissen. Obwohl ich schon viele Bücher / Seiten bezügl. dieses entspr. Clusters durchwühlt habe, ist mir der Name Gordon Grant nie begegnet...



    Vielen Dank nochmals!


    Gruß,


    Stefan

  • Hallo Stefan,


    die Quellen müsste ich auch erst nochmal nachschlagen, laut dem Cloudy Nights-Forum listet ihn aber Archinal in seinem Buch als Cluster mit 77 Haufenmitgliedern.

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Huemmi</i>
    ...
    Ich hatte z.B. schon mal an das Buch „Star Clusters“ von Brent A.Archinal and Steven J. Hynes gedacht. O’Meara bezieht sich zumindest in seinen „Hidden Treasures“ ständig auf dieses Buch, wenn es um Sternhaufen geht… Hat das einer von Euch und taugt das was? Um es „nur mal so“ zu bestellen, ist es leider zu teuer…
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Ich habe das Buch und kann es sehr empfeflen. Es handelt sich um ein Referenzhandbuch mit Tabellen, die Kugel- und Offene Sternhaufen nach RA sortiert listen. Es ist kein Beobachtungsführer mit Karten. Zu vielen Sternhaufen gibt es im Textblock eine Beschreibung bzw. manchmal ein Schwarzweissbild, jedoch sind nicht alle beschrieben. Soweit ich mich erinnere sind auch Sternhaufen in den Magellanischen Wolken und M31 gelistet.


    Derzeit bin ich im Büro und kann nicht nachsehen, ob über Stephenson 1 dort etwas steht bzw. welche Katalogdaten gelistet werden.


    Weitere Daten kannst Du auf dem WEBDA Server finden


    http://www.univie.ac.at/webda/…_page.cgi?cluster=Step+01


    bzw. eine Karte der Haufenmitglieder:


    http://www.univie.ac.at/webda/cgi-bin/chart_frame.cgi?ste01


    Man müsste nmal schauen, ob es Daten zur Eigenbewegung der Sterne gibt. Dadurch würde klar, ob es sich dabei um einen echten Sternhaufen handelt oder nicht.


    Soweit ich mich erinnere ist Stephenson 1 teil des "Gould Belts" und einer OB Asoziazion.

  • "[...]laut dem Cloudy Nights-Forum listet ihn aber Archinal in seinem Buch als Cluster mit 77 Haufenmitgliedern."


    Gut zu wissen - danke, Nico für die Info!




    "Ich habe das Buch und kann es sehr empfeflen. Es handelt sich um ein Referenzhandbuch mit Tabellen, die Kugel- und Offene Sternhaufen nach RA sortiert listen. Es ist kein Beobachtungsführer mit Karten. Zu vielen Sternhaufen gibt es im Textblock eine Beschreibung bzw. manchmal ein Schwarzweissbild, jedoch sind nicht alle beschrieben. Soweit ich mich erinnere sind auch Sternhaufen in den Magellanischen Wolken und M31 gelistet."


    Hört sich gut an. Einen Beobachtungsführer / Karten brauche ich auch nicht; derer habe ich genug (fast schon zu viele mittlerweile [;)]). Was ich suche, sind hauptsächlich astrophysikalische Daten zu den einzelnen Objekten. Wenn Du mal nachschauen könntest, was Archinal / Hynes zu Steph 1 sagen, wäre ich Dir sehr verbunden. [:)]



    Die WEBDA Daten sind sehr fein, danke für den Tipp! [:)] Werde ich mich gleich mal durchlesen. Ja, Daten zur Eigenbewegung der Sterne müssten an sich weiterhelfen... vllt gibt's da ja so etwas...



    (Der erste Link, den Du anführst ist übrigens kaputt, muss vermutl. so heißen:)
    http://www.univie.ac.at/webda/…cl_page.cgi?dirname=ste01

  • Hallo nochmal,


    hier noch ein paar Daten zum Cluster. Aktuelle Entfernungsangaben werden in "Unraveling the Origins of Nearby Young Stars" mit 315 Parsec (1.000 Lichtjahre) und in "Kinematics of the Gould Belt Based on Open Clusters" mit 373 Parsec (1.200 Lichtjahre) angegeben. Wie mein Vorredner schon sagte, soll er also tatsächlich zum Gouldschen Gürtel gehören.


    Etwa 10 Jahre nach seiner Entdeckung lieferte Olin Eggen mit "Photometric evidence for the existence of a delta Lyrae cluster" einen ersten (photometrischen) Beweis für die Haufennatur.


    Alle verlinkten Artikel sind als PDF abrufbar. Und alle bis heute erschienenen Arbeiten zu Stephenson 1 sind hier (wie immer) in der Simbad-Datenbank gelistet. Falls ein PDF-Zugang wegen fehlender Berechtigung oder so nicht funktioniert, gibt einfach mal den Titel des Papers bei Google ein, so finde ich oftmals einen Link, wo ich dann die Arbeit einsehen kann.

  • Moin Stefan!


    &gt; Das ist natürlich ein gutes Argument, sofern die Messdaten entsprechend genau sind. Eine mögliche Varianz von +/- 100 LJ würde nämlich wiederum die Möglichkeit eröffnen, dass es sich - jetzt mal ungeachtet des beachtlich weiten Abstandes - doch um ein physisches Paar handelt.


    "Bewiesen" ist in dem Sinne wohl noch nichts. Fakt ist, daß Delta-1 und -2 eine gleiche Eigenbewegung zeigen. Kein Wunder bei Mitgliedern eines Sternhaufens. Das heißt aber nicht automatisch, daß beide Sterne physisch aneinander gekoppelt sind. Der Abstand beider Sterne am Himmel von &gt;10' auf ca. 900-1000 Lj spricht IMO auch eher dagegen.


    Nahezu alle hellen Sterne sind vor Jahren durch den Astrometrie-Satelliten Hipparchos vermessen worden. (Zur Genauigkeit der Messungen bitte bei Wikipedia nachlesen!) Die Entfernungen, die mir mein SkyMap auswirft: Delta-1, Spektrum B2.5V (spektroskoischer Doppelstern), Entfernung 1080 +/- 169 Lj. Delta-2, M4IIvar, 899 +/-120 Lj.

  • Ah, super, Nico, vielen Dank für die Links - sieht sehr gut aus, werde ich mich gleich mal dransetzen. [:)] Die Arbeit von Eggen wird ja auch von Burnham angeführt, aber es ist immer aufschlussreich, das Original zu lesen...




    "'Bewiesen' ist in dem Sinne wohl noch nichts. Fakt ist, daß Delta-1 und -2 eine gleiche Eigenbewegung zeigen. Kein Wunder bei Mitgliedern eines Sternhaufens. Das heißt aber nicht automatisch, daß beide Sterne physisch aneinander gekoppelt sind. Der Abstand beider Sterne am Himmel von &gt;10' auf ca. 900-1000 Lj spricht IMO auch eher dagegen.


    Nahezu alle hellen Sterne sind vor Jahren durch den Astrometrie-Satelliten Hipparchos vermessen worden. (Zur Genauigkeit der Messungen bitte bei Wikipedia nachlesen!) Die Entfernungen, die mir mein SkyMap auswirft: Delta-1, Spektrum B2.5V (spektroskoischer Doppelstern), Entfernung 1080 +/- 169 Lj. Delta-2, M4IIvar, 899 +/-120 Lj."


    Ja, eine gleiche Eigenbewegung ist von Haufenmitgliedern natürlich zu erwarten. Und der große Abstand spricht definitiv dagegen, da gebe ich Dir Recht. Aber hinsichtlich der Entfernungen zumindest sollte noch nichts ausgeschlossen sein; so fortschrittlich wie die Hipparcos-Messdaten sind, eine gewisse Varianz ist in diesen Größenordnungen vermutlich immer dabei.




    Aber gut, dass ich hier nachgefragt habe! Die ganzen Infos hätte ich so schnell nicht alleine gefunden (wenn überhaupt jemals!). *verbeugt sich vor den Astroprofis* [:)]

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Huemmi</i>
    ...Wenn Du mal nachschauen könntest, was Archinal / Hynes zu Steph 1 sagen, wäre ich Dir sehr verbunden. [:)] <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Das habe ich jetzt gemacht: Zu Stephenson 1 gibt es im Textteil keine Erklärung und kein Foto.


    In der Tabelle steht neben den Koordinaten


    Trumpler Typ: IV3p
    Diam: 40'
    Gesamthelligkeit: V3,8
    Anzahl Sterne: 77
    Hellster Stern: 4,3
    Flächenhelligkeit: 11,8 Vmag/arcmin2
    Entfernung Parsec: 315
    Kommentar: Wurde von Gordon Grant entdeckt. Hellster Stern und Zentrum des Haufens ist delta-2 Lyrae V4,3 bzw. M4II.
    Andere Bezeichner: Delta Lyrae Cluster, Lund 870, OCI 137, C1851+368


    Noch viel Erfolg bei Deinen Forschungen!
    Tahir

  • Danke Dir, Tahir! [:)]


    Nachdem ich jetzt die allermeisten Quellen durch habe (und hier auch gleich mal nähere Bekanntschaft mit dem Gouldschen Gürtel gemacht habe - sehr interessant ürbigens!), gehe ich jetzt von der tatsächlichen Existenz des Clusters aus - diese ist zumindest äußerst wahrscheinlich. Fein - ich ahnte es schon immer, hihi. [:D]


    Erstaunlich nur, dass dieser durchaus auffällige und uns recht nahestehende Sternhaufen derart "stiefmütterlich behandelt" wird...



    An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Euch alle!

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